Wir haben bereits gesagt, dass im Portugiesischen bei Substantiven der Akkusativ nicht markiert ist, sich vom Nominativ also nicht unterscheidet, der Dativ mit der Präposition a markiert ist und der Genitiv mit der Präposition de. Es ergibt sich, was die Substantive angeht, folgendes Bild.
Fall
Markierung
Beispiel
Nominativ
nicht markiert
O cão ladra.
Der Hund bellt.
Genitiv
mit de markiert
A cor do cão é preta.
Die Farbe des Hundes ist schwarz.
Akkusativ
nicht markiert
Vejo o cão.
Ich sehe den Hund.
Dativ
mit a markiert
Dá agua ao cão.
Er gibt dem Hund Wasser.
Schauen Sie sich die Beispiele an, stellen Sie fest, dass dem Portugiesischen ein anderes Prinzip zugrunde liegt. Das Wort cão bleibt unverändert. Die Funktion dieses Wortes innerhalb des Satzes wird durch die Präposition festgelegt. Im Deutschen hingegen wird die Funktion durch eine Veränderung des Wortes selbst und des Artikels festgelegt. Dass man das anders machen kann ist klar und bei den didaktisch motivierten Hilfsübersetzungen wird es auch anders gemacht. Auch der Deutsche würde einen Satz wie "Ich gebe zu der Hund das Wasser" verstehen. Tendentiell ist es einfacher, die Funktion eines Substantives über Präpositionen zu klären, was auch das allmähliche Verschwinden des Genitivs im Deutschen erklärt. ("Das Haus von meinem Vater" anstatt "Das Haus meines Vaters".)
In der Schule haben sie gelernt, dass Substantive im Deutschen dekliniert werden, und dass deklinieren aus dem Lateinischen declinare, beugen, kommt. Die schulische Grammatikvermittlung lenkt den Blick im Allgemeinen auf irrelevante Zusammenhänge, was zur Folge hat, dass die Beschäftigung mit Grammatik als sinnfreie Tätigkeit angesehen wird und alle Verlage betonen, dass ihre Lehrbücher nach den modernsten Methoden der Sprachvermittlung arbeiten und auf Grammatik vollkommen verzichten. Das tun sie zwar dann, so sie denn noch irgendein didaktisches Konzept verfolgen, zwar nicht, aber ein Lehrbuch, dass eine Fremdsprache über die Erläuterung grammatikalischer Strukturen vermitteln will, ist unverkäuflich, da bedingt durch die Art, wie Grammatik in der Schule vermittelt, in der Öffentlichkeit sich der Eindruck verfestigt hat, dass Grammatik gar nichts bringt. Grammatik wird als überflüssiger Ballast aufgefasst.
Es interessiert nicht, ob ein Wort gebeugt oder dekliniert wird. Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, warum es eigentlich gebeugt wird. Die Deklination klärt die Funktion eines Substantivs innerhalb eines Satzes. Ob man dies durch eine Veränderung des Wortes selbst, durch eine Präposition, durch ein Suffix oder Präfix oder durch die Anordnung der Wörter im Satz oder durch die Betonung erreicht, ist hierbei völlig egal. Mit der Deklination wird die Funktion eines Substantives in einem Satz geklärt. Schauen wir uns diesen Satz an.
Er gibt das Geld der Vater der Junge.
Dieser Satz ist unverständlich, weil die Funktion der drei Substantive Geld, Vater, Junge innerhalb des Satzes nicht geklärt wird. Durch die Deklination klären wir diese Beziehung und je nachdem ob Junge bzw. Vater Genitiv oder Dativ ist, ändert sich der Sinn des Satzes.
deutsche Variante
portugiesische Variante
Er gibt das Geld des Vaters dem Jungen.
Er gibt das Geld von der Vater zu der Junge.
Er gibt das Geld dem Vater des Jungen.
Er gibt das Geld zu der Vater von der Junge.
Er gibt dem Vater das Geld des Jungen.
Er gibt zu dem Vater das Geld von der Junge.
Das gebeugt wird ist zwar richtig, aber vollkommen irrelevant. Entscheidend ist die Frage, warum überhaupt gebeugt wird.
Normalerweise wird die Funktion eines Substantivs bzw. eines Teilsatzes im Portugiesischen über Präpositionen geklärt. Die Personalpronomen sind hier eine Ausnahme. Der Nominativ, Akkusativ und Dativ hat jeweils eine eigene Form. Hierbei ist eine Unterscheidung zu treffen zwischen betonten und unbetonten Personalpronomen.
In den romanischen Sprachen und vielen anderen, z.B. Englisch, sind die Personalpronomen, die einzigen Wörter, bei denen die Funktion eines Elementes noch durch eine Änderung des Wortes selbst geklärt wird. Bei allen anderen Pronomen, Possessivpronomen, Demonstrativpronomen, Indefinitivpronomen, wird die Funktion über eine Präposition geklärt. Das kann auch nicht anders sein, denn all diese Pronomen können sowohl adjektivisch wie auch substantivisch verwendet werden und klärt man die Verhältnisse bei Substantiven über Präpositionen, muss man das System auch für die dazugehörigen Adjektive übernehmen.
Personalpronomen allerdings können nicht adjektivisch verwendet werden. Personalpronomen haben im übrigen auch nur eine einzige Funktion. Sie referenzieren ein Substantiv. Sie zeigen nicht, wie Possessivpronomen, an, wem etwas gehört, sie geben nicht an, wer Adressat bzw. Ausführender einer Handlung sein kann, wie die Indefinitivpronomen und sie haben auch nicht, wie die Demonstrativpronomen, eine Hinweisfunktion. Sie tun nichts anderes, als ein Substantiv vertreten.
Bei den Personalpronomen haben wir also wie im Deutschen eine eigene Form, die wir uns jetzt näher anschauen.