Im folgenden einige allgemeine Bemerkungen zu Artikeln. Hinsichtlich der hier diskutierten Sachverhalte gibt es keine Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Portugiesischen, allerdings ist es teilweise subtil. Es kann unter Umständen sinnvoll sein, mal darüber nachzudenken. Im Deutschen treffen wir ziemlich subtile Unterscheidungen und es sind die gleichen, die auch im Portugiesischen zu treffen sind, wir müssen also im Grunde nur übersetzen. Trotzdem kann es hin- und wieder sinnvoll sein, zu verstehen, was man tut.
Artikel scheinen auf den ersten Blick das banalste Ding unter der Sonne zu sein. Wir haben in der Schule gelernt, dass es deren Stücker zwei gibt, nämlich die bestimmten Artikel der, die, das und die unbestimmten ein, eine etc.. Die Bezeichnung bestimmter Artikel bzw. unbestimmter Artikel ist hierbei nicht mal schlecht.
Geht DIE Frau über die Straße, dann geht eine Frau über die Straße, die näher bestimmt ist, bzw. im Fokus der Betrachtung steht. Geht EINE Frau über die Straße, dann ist diese unbestimmt, es ist irgendeine Frau. Das hat zur Folge, das sich der Sinn eines Relativsatzes ändert, je nachdem ob dem Substantiv, auf welches er sich bezieht, ein bestimmter oder unbestimmter Artikel vorangesetzt ist.
Vergleichen wir diese beiden Sätze.
1) Der Mann, der im Lotto gewonnen hat, ist mein Freund.
2) Ein Mann, der im Lotto gewonnen hat, ist mein Freund.
Im Fall 1) haben wir eine schon länger andauernde Freundschaft und der Lottogewinn ist nicht der Umstand, der die Freundschaft begründet. Fall 2) allerdings ist anders. Unabhängig von der Frage, ob der Lottogewinner ein Ekelpaket ist oder nicht, sucht man seine Freundschaft in der Hoffnung, so einen Teil der Torte zu erhalten. In Satz 1) ist der Relativsatz eine Beschreibung, im Satz 2) eine Bedingung.
Die Notwendigkeit eines Artikels erschließt sich nicht unbedingt und es gibt auch Sprachen, wie z.B. das Persische, die einen Artikel nicht kennen, weswegen Perser auch dazu neigen, keine Artikel zu setzen, wenn sie Deutsch lernen.
Der bestimmte Artikel hat eine Nähe zum Demonstrativpronomen. Wie dieses zeigt er an, dass das Substantiv, welches er näher beschreibt, bestimmt ist. Allerdings sind bestimmter Artikel und Demonstrativpronomen nicht immer gegeneinander substituierbar. Teilweise geht es aus inhaltlichen Gründen nicht und teilweise geht es aus stilistischen Gründen nicht. Hier zum Beispiel haben wir Unterschiede in der Bedeutung.
Der Mensch ist ein merkwürdiges Wesen.
Dieser Mensch ist ein merkwürdiges Wesen.
Das Demonstrativpronomen verweist auf ein konkreteres Substantiv. Angewendet auf generische Substantive, die auf ein Kollektiv von einzelnen Elementen verweisen, bezeichnet das adjektivische Demonstrativa das einzelne Element dieses Kollektivs.
Im Singular allerdings stellt sich die Frage, ob auf das einzelne Individuum bzw. das einzelne Element oder auf das Kollektiv abgestellt wird, nicht. In diesem Fall sind bestimmer Artikel und adjektivisches Demonstrativum gegeneinander substituierbar.
Den Mann kenn ich.
Diesen Mann kenn ich.
Steht der Satz aber im Plural, dann ist das adjektivische Demonstrativum nicht mehr durch den bestimmten Artikel substituierbar.
1) Männer schlafen zu viel.
2) Die Männer schlafen zu viel.
3) Diese Männer schlafen zu viel.
Im ersten Fall ist das Kollektiv bekannt, alle Männer in ihrer Gesamtheit. Im zweiten Fall ist eine Gruppe des Kollektivs gemeint. Ob eine Frau genug hat von den Männern oder genug hat von diesen Männern ist ein Riesenunterschied.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sowohl der bestimmte Artikel wie auch das Demonstrativpronomen zum Ausdruck bringen, dass die Aussage des Satzes sich auf eine konkrete Einheit bezieht. Wird aber auf ein Kollektiv abgestellt und nicht auf Teile des Kollektivs, dann kann der bestimmte Artikel auch entfallen. Mit 2) kann das gesamte Kollektiv gemeint sein, aber auch ein bekanntes Kollektiv z.B. wenn mehrere Familien in Urlaub fahren und die Väter immer ausgiebig Siesta machen. 3) bezieht sich eindeutig auf einen Teil eines Kollektivs.
Ähnlich verhält es sich mit dem Indefinitivpronomen. Der Unterschied zwischen einem unbestimmten Artikel und einem Indefinitivpronomen wie irgendein, irgendjemand etc. besteht darin, dass das Indefinitivpronomen die Beliebigkeit unterstreicht, wobei jedoch beide zum Ausdruck bringen, dass nähere Informationen bzgl. des Substantivs nicht vorliegen.
1) Ich möchte ein Brot.
2) Ich möchte irgendein Brot.
3) Die Römer wollten Brot und Spiele.
In beiden Fällen ist er nicht besonders wählerisch, allerdings wird ein Indefinitiva nur dann verwendet, wenn die Beliebigkeit die eigentlich relevante Aussage ist. Wer in eine Bäckerei geht und ein Brot will, wird wahrscheinlich noch gefragt, welches er denn haben will. Geht jemand in eine Bäckerei und will irgendein Brot, dann erübrigt sich die Rückfrage. Der Bäcker wird ihm zwar die Geringschätzung für sein Handwerk irgendwie zum Ausdruck bringen, da dieser Kunde sein Brot bei Aldi kauft und eh kein Stammkunde wird, aber er wird ihn nicht fragen, welches Brot er denn haben will.
So wie Demonstrativpronomen hinsichtlich Konkretisierung den bestimmten Artikel übertreffen, übertreffen Indefinita die unbestimmten Artikel hinsichtlich Beliebigkeit. Wird aber auf ein Kollektiv in seiner Gesamtheit abgestellt, dann macht weder Bestimmtheit noch Beliebigkeit Sinn und folglich steht in diesen Fällen gar kein Artikel, weder ein bestimmter noch ein unbestimmter. Das Kollektiv in seiner Gesamtheit umfasst einerseits jedes Element und ist andererseits auch bestimmt. Bis auf drei sind folgende Sätze im Deutschen sinnfrei.
1) Die Römer wollten ein Brot und Spiele.
2) Die Römer wollten das Brot und Spiele.
3) Die Römer wollten Brot und Spiele.
1) macht keinen Sinn, weil Beliebigkeit bedeutet, dass ein x-beliebiges Element gemeint ist. Das ist aber nicht der Fall. Es ist schlicht Brot in seiner Gesamtheit gemeint. 2) wiederum macht keinen Sinn, weil nicht ein bestimmtes Brot gemeint ist, sondern eben Brot in jeder Art.
Wenn es einen Artikel gibt, was in vielen Sprachen nicht der Fall ist und z.B. im Lateinischen, die Sprache aus der alle romanischen Sprachen hervorgegangen sind, nicht der Fall ist, dann sind die Verhältnisse ähnlich wie im Deutschen. Der bestimmte Artikel kennzeichnet ein Substantiv als näher bekannt bzw. im Fokus stehend, der unbestimmte Artikel unterstreicht Beliebigkeit. Allerdings gibt es auch Unterschiede. Wird auf ein Kollektiv abgestellt, dann steht, um mal ein Beispiel zu nennen, im Portugiesischen und allen anderen romanischen Sprachen ein bestimmter Artikel. Im Deutschen steht dann kein Artikel.
Deutsch
Ich mag Kaffee.
English
I like coffee.
Französisch
J'aime le café.
Spanisch
Me gusta el café.
Italienisch
Mi piace il caffè.
Portugiesisch
Gosto do* café.
* do ist de + o. Es gibt hier zwei Probleme. Gostar zieht die Präposition de nach sich und die Präposition de wird mit dem Artikel o verschmolzen, wir kommen, siehe 4.1.1. Verschmelzung von Präposition und Artikeln, darauf zurück.
Daraus kann man den Schluss ziehen, dass der bestimmte Artikel die Wirkung, die er im Deutschen hat, in den romanischen Sprachen nicht hat. Der bestimmte Artikel vor Kollektivbegriffen beschränkt die Aussage auf einen Teil des Kollektivs.
1) richtig: Apfelsaft macht man aus Äpfeln.
2) falsch: Den Apfelsaft macht man aus Äpfeln.
Ohne Artikel ist das gesamte Kollektiv angesprochen. Der Satz "Apfelsaft kommt vom Bodensee" bedeutet, dass aller Apfelsaft vom Bodensee kommt. Der Satz "Der Apfelsaft kommt vom Bodensee" lässt erkennen, vor allem wenn noch ein Relativsatz eingeführt wird, der den Apfelsaft näher bestimmt, dass nur ein Teil des Kollektivs gemeint ist, was ja weit realistischer ist.
Satz 2) suggeriert, dass nur ein Teil des Apfelsaftes aus Äpfeln gemacht wird. In den romanischen Sprachen hat der bestimmte Artikel allerdings diese Funktion nicht. Bei Kollektivbegriffen steht in der Regel ein bestimmter Artikel. Stellt man auf einen Teil des Kollektivs ab, muss ein Demonstrativpronomen verwendet werden, wenn das Kollektiv nicht anderweitig, z.B. durch einen Relativsatz, näher bestimmt wird.
O
suco
de
maçã
é
bom
para
a
saúde.
Der
Saft
von
Apfel
ist
gut
für
die
Gesundheit.
Apfelsaft ist gut für die Gesundheit
Im Groben und Ganzen gibt es aber keine Unterschiede in der Verwendung. Auf die bestehenden Unterschiede kommen wir zurück.