Wir klären jetzt mal ein paar ganz fundamentale Dinge, die ganz grundsätzlich für jede Sprache relevant sind, die aber von vielen Leuten nicht deutlich gesehen werden. Das ist zwar einfach, aber diese fundamentalen Dinge sollte man jetzt sehen.
Der conjuntivo, bzw. subjuntivo, das ist der Ausdruck, den die Brasilianer präferieren, bringt prinzipiell eine subjektive Sicht auf die Welt zum Ausdruck, etwa weil etwas erwünscht, erhofft, befürchtet, nicht realisierbar ist, nur unter
Bedingungen möglich ist oder unsicher ist.
Sieht man von der Tatsache ab, dass die indirekte Rede im Deutschen, nicht aber in den romanischen Sprachen, eigentlich durch den Konjunktiv wiederzugeben ist, so ähnelt der deutsche
Konjunktiv dem conjuntivo der romanischen Sprachen, auch wenn man überall das Gegenteil liest, wie wir gleich sehen werden.
Zutreffend ist, dass uns der deutsche Konjunktiv nicht als geschlossenes System entgegentritt, es immer wieder logische Brüche gibt. Des
weiteren ist die Bildung des Konjunktivs im Deutschen so kompliziert, dass das Gesamtsystem letztlich zusammengebrochen ist. Die romanischen Sprachen und auch das Portugiesische, haben hier ein festes, stabiles Regelwerk. Stabilität
ist hier so definiert, dass alle Muttersprachler zum gleichen Ergebnis kommen.
Der conjuntivo hängt meistens ab von einem Verb wie fürchen, hoffen, wollen, befehlen etc. oder ist zumindest Teil eines Satzgefüges, wo noch eine andere Handlung beschrieben wird, zu der die im conjuntivo beschriebene Handlung
gleichzeitig, nachzeitig oder vorzeitig ist. Im Präsens ziehen diese Verben im Deutschen den Indikativ nach sich, in einer Vergangenheitszeit, den Konjunktiv, darauf kommen wir weiter unten zu sprechen. Im Portugiesischen ziehen diese Verben sowohl im Präsens wie in
einer Vergangenheitszeit den conjuntivo nach sich.
Genau wie beim Indikativ, siehe Kapitel 11, muss auch dann, wenn eine Handlung nur befürchtet, erhofft, erwartet etc. ist, geklärt werden ob die imaginierte, erhoffte, erwartet Handlung sich vor-, nach- oder gleichzeitig zum Moment vollzieht, indem sie imaginiert wird. Wir kommen behandeln das Problem nochmal ausführlich in Kapitel 14. Jetzt muss man erstmal nur sehen, dass die Zeitenfolge zur berücksichtigen ist, andernfalls bleibt unklar, warum man auch im conjuntivo mehrere Zeiten braucht.
Gleichzeitigkeit, Nachzeitigkeit, Vorzeitigkeit im Deutschen
gleichzeitig:
Ich freue mich, dass du da bist.
nachzeitig:
Ich freue mich, dass du kommen wirst.
vorzeitig:
Ich freue mich, dass du die Prüfung bestanden hast.
Der conjuntivo ist ganz wesentlich ein Problem der Zeitenfolge. Man sollte sehen, dass diese drei Sätze sich inhaltlich deutlich unterscheiden und diese Unterschiede auch zum Ausdruck zu bringen sind. In allen drei folgenden Fällen steht im Portugiesischen der congiuntivo, aber die zeitlichen Verhältnisse müssen ausgedrückt werden.
Zeitenfolge
1)
Ich hoffe, dass er nichts verrät.
2)
Ich hoffe, dass er nichts verraten hat.
3)
Ich hoffe,
dass er nichts verraten wird.
Im ersten Fall sitzt der Mafiosi in der Zelle und sein Kollege wird verhört. Er hofft dann, dass er nichts verrät. Im zweiten Fall wird er selber zum Verhör geführt und hofft, dass sein Kollege die Klappe gehalten hat, weil es sonst für ihn keinen
Sinn macht zu lügen. Im dritten Fall sitzen sie noch beide in der Zelle und der eine hofft, dass sein Kollege auch in Zukunft die Klappe halten wird. Schwierig ist das, weil der Moment der mentalen Durchdringung in der Gegenwart, der
Zukunft und in der Vergangenheit liegen kann. Es ist also hilfreich, wenn man mal kurz über die Zeitenfolge nachdenkt. Das erleichtert das Verständnis des portugiesischen conjuntivo.
Weiter werden wir später noch sehen, dass in den romanischen Sprachen auch die indirekte Rede lediglich ein Problem der Zeitenfolge ist. Ein Unterschied zwischen einem Verb der mentalen Durchdringung, das den Indikativ verlangt
und der indirekten Rede, die ebenfalls im Indikativ beschrieben wird, wird nicht gemacht.
Um die Logik zu verdeutlichen konstruieren wir im Deutschen in der indirekten Rede genau gleich wie mit dem Verb wissen. Also beide Male im
Indikativ. Die Logik der romanischen Sprachen wird dann deutlich. Eigentlich müsste im Deutschen da jetzt ein Konjunktiv hin, "Er sagt, dass er da sei", aber so funktioniert das im Portugiesischen nicht. Zwischen der indirekten Rede und der mentalen Durchdringung im Allgemeinen, besteht im Portugiesischen kein Unterschied.
Verb der mentalen Durchdringung, das den Indikativ verlangt
gleichzeitig:
Er sagt / weiß, dass er da ist.
vorzeitig:
Er sagt / weiß, dass er da war.
nachzeitig:
Er sagt / weiß, dass er da sein wird.
Allerdings haben wir in den romanischen Sprachen und folglich auch im Portugiesischen zwei Systeme. Es gibt Verben der mentalen Durchdringung die den Indikativ verlangen. Das sind Verben wie wissen oder feststellen, die eben keine
subjektive Sicht auf die Welt zum Ausdruck bringen, sondern die Verhältnisse als reale Tatsachen darstellen und Verben wie hoffen, fürchten, annehmen, die die Verhältnisse als subjektive Einschätzungen beschreiben.
In beiden Fällen ist
Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit auszudrücken. Die indirekte Rede, also Satzgefüge die mit sagen, erzählen, berichten etc. eingeleitet werden, gehören, im Portugiesischen, aber nicht im Deutschen, zur gleichen Gruppe wie
wissen oder feststellen. Bei objektiven Tatsachen, also bei Satzgefügen die mit wissen oder sagen eingeleitet werden, steht der Indikativ. Bei Verben wie hoffen der conjuntivo.
Das Deutsche stellt sich auf den Standpunkt, dass das, was
andere erzählen immer mit Unsicherheit behaftet ist und verwendet folglich den Konjunktiv. Die deutsche Einstellung ist prinzipiell lobenswert. Behauptungen, die man nicht durch eigene Nachforschungen überprüft hat, sollte man nie für
Tatsachen halten. In der Umsetzung dieser an sich lobenswerten Einstellung gibt es aber Probleme. Die romanischen Sprachen verwenden in der indirekten Rede den Indikativ. Anzumerken bleibt, aus historischer Sicht, dass die Deutschen nicht immer diesem lobenswerten Ansatz gefolgt sind. Die mechanische Verwendung des Konjunktivs heißt noch lange nicht, dass auch wirklich kritisch geprüft wird, wie wir bei Bertolt Brecht lernen. Der Aufforderung hätte es nicht bedurft, wenn ein kritischer Verstand vorhanden gewesen wäre, wobei uns dessen Vorhandensein viel Ärger erspart hätte.
Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: Wie kommt er hierher?
Deutsch Muttersprachler müssen jetzt verstehen, dass die romanischen Sprachen, also auch das Portugiesische, ein klares Regelwerk haben, wie die Handlungen um den Anker, den Moment der mentalen Durchdringung, herum
angeordnete werden, und dass es ein so klares Regelwerk im Deutschen nicht gibt. Es ist einfacher, die Logik der Transformation der Zeiten der romanischen Sprachen zu verstehen, als ein abstraktes Regelwerk auswendig zu lernen. Es
kommt jetzt eine halbe Stunde Theorie, das spart aber hinterher viel Zeit.
Der Konjunktiv im Deutschen nach Verben des Hoffens, Fürchtens, Wünschens
Nach Verben des Hoffens, Fürchtens, Wünschens steht im Deutschen der Indikativ, wenn das einleitende Verb im Präsens steht. (In den romanischen Sprachen steht dann der conjuntivo, denn nach diesen Verben steht in den romanischen
Sprachen schlicht IMMER der conjuntivo.)
Unter mentaler Durchdringung verstehen wir, dass etwas imaginiert wird. Wir werden gleich erkennen, dass das Deutsche extrem instabil ist, wenn die Vorzeitigkeit, Nachzeitigkeit oder
Gleichzeitigkeit im Verhältnis zum Moment der mentalen Durchdringung zu beschreiben ist. Wir haben also zwei Probleme. Das eine Problem sind die logischen Brüche bei der Verwendung des Konjunktivs und das andere Problem ist die
schwankende Wiedergabe der Zeitenfolge. Die romanischen Sprachen haben ein klares Transformationsschema, also klare Regeln, wie die Zeiten zu transformieren sind, wenn der Zeitpunkt der mentalen Durchdringung verändert wird. Ein
solch klares Transformationsschema haben wir im Deutschen nicht. Unter Stabilität verstehen wir, wenn alle Muttersprachler zum gleichen Ergebnis kommen.
Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Präsens. Dann steht der Indikativ und die Verhältnisse sind stabil.
bei Gleichzeitigkeit zum Moment der mentalen Durchdringung
Ich hoffe, dass er da ist.
Ich befürchte, dass er da ist.
Ich wünsche, dass er da ist.
Bei Nachzeitigkeit zum Moment der mentalen Durchdringung
Ich hoffe, dass er da sein wird.
Ich befürchte, dass er da sein wird.
Ich wünsche, dass er da sein wird.
Bei Vorzeitigkeit zm Moment der mentalen Durchdringung
Ich hoffe, dass er da war.
Ich befürchte, dass er da war.
Ich wünsche, dass da war.
Steht das Verb, das die Art der mentalen Durchdringung beschreibt und eine subjektive Sicht auf die Welt zum Ausdruck bringt allerdings im Imperfekt, dann wird auf einmal der Konjunktiv verwendet, bzw., wenn dessen Bildung Probleme bereitet,
der Konditional. Allerdings dürfte der konkrete Sprachgebrauch eine große Menge an Alternativen zeitigen. Viele Deutsch Muttersprachler werden der Meinung sein, dass in den unten stehenden Beispielen lediglich die Gleichzeitigkeit
eindeutig ausgedrückt wird, die Nachzeitigkeit etwas mit der Gleichzeitigkeit verschwimmt und die Vorzeitigkeit auch nicht wirklich überzeugend dargestellt wird. Bessere Alternativen haben wir aber auch nicht im Angebot.
Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Imperfekt. Dann steht der Konjunktiv, die Verhältnisse sind instabil.
bei Gleichzeitigkeit zum Moment der mentalen Durchdringung
Ich hoffte, dass er da wäre.
Ich befürchtete, dass er da wäre.
Ich wünschte, dass er da wäre.
oder: Ich hoffte / befürchtete / wünschte, dass er da sei.
Bei Nachzeitigkeit zum Moment der mentalen Durchdringung
Ich hoffte (am Montag), dass er (am Dienstag) da sein würde.
Ich befürchtete (am Montag), dass er (am Dienstag) das sein würde.
Ich wünschte (am Montag), dass er (am Dienstag) da sein würde.
Bei Vorzeitigkeit zum Moment der mentalen Durchdringung.
Ich hoffte (am Dienstag), dass er (am Montag) dagewesen wäre.
Ich befürchtete (am Dienstag), dass er (am Montag) dagewesen wäre.
Ich wünschte (am Dienstag), dass er (am Montag) dagewesen wäre.
Machen wir uns das klar. Wir haben im Deutschen einen Wechsel des Modus. Im Präsens Indikativ, in der Vergangenheit aber Konjunktiv.
Ich hoffe, dass er kommt.
nicht: Ich hoffe, dass er komme.
Ich hoffte, dass er käme.
nicht: Ich hoffte, dass er kam.
Daraus lernen wir zwei bedeutsame Dinge. Erstens, dass die Aussage, dass sich der deutsche Konjunktiv vom conjuntivo der romanischen Sprachen radikal unterscheidet falsch ist. Das lesen wir zwar überall, aber es ist offensichtlich falsch. Steht das Verb der mentalen Durchdringung im Imperfekt, dann steht der Nebensatz, wie in den romanischen Sprachen auch, im Konjunktiv. Zweitens, dass das Deutsche etwas inkohärent ist. Wollen Sie also wissen, wie es sich für einen Portugiesen anhört, wenn sie nach einem Verb wie hoffen den Indikativ verwenden, dann brauchen Sie nur an "Ich hoffte, dass er kam" denken, dann wissen Sie es.
Sicher ist nur, dass es Verben der mentalen Durchdringung gibt, die den Konjunktiv verlangen, wenn sie in einer Vergangenheitszeit stehen. (Aber das Präsens, wenn sie in der Gegenwart stehen.) Der Zeitpunkt, um den sich die anderen Handlungen dann herum gruppieren, ist dann ein Zeitpunkt
der Vergangenheit. Deutsch Muttersprachler sind sich einig, dass der Indikativ nicht stehen kann. Uneinigkeit herrscht hinsichtlich der Frage, wie Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit dann auszudrücken ist.
Ich hoffte, dass er käme.
oder: Ich hoffte, dass er kommen würde.
nicht: Ich hoffte, dass er kam.
Er glaubte, dass er den Vertrag unterschreiben würde.
oder: Er glaubte, dass er den Vertrag unterschriebe.
nicht: Er glaubte, dass den Vertrag unterschrieb.
Ich nahm an, dass er es wüsste.
oder: Ich nahm an, dass er es wissen würde.
nicht: Ich nahm an, dass er es wusste.
Im Gegensatz zu den Verben, die im Deutschen nur in der Vergangenheit den Konjunktiv verlangen, steht, zumindest in der Theorie, in der indirekten Rede im Deutschen immer der Konjunktiv. Egal ob der Anker die Gegenwart oder die
Vergangenheit ist. Allerdings haben wir hier ein völlig anderes Schema, als in den romanischen Sprachen. Egal ob der Sprechzeitpunkt in der Gegenwart oder der Vergangenheit liegt, wird die Gleichzeitigkeit, Nachzeitigkeit oder
Vorzeitigkeit immer durch dieselbe Zeit ausgedrückt.
(Dass das Deutsche zwischen Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit nicht eindeutig unterscheiden kann, ist ein anderes Problem, das vernachlässigen wir jetzt erstmal. Das Problem hängt
damit zusammen, dass würde + Infinitiv verwendet wird, wenn der Konjunktiv I identisch ist mit Präsens / Imperfekt Indikativ oder, obzwar vorhanden, ungewöhnlich ist. => "Er bücke einen Kuchen" wird zu "Er würde einen Kuchen backen".
Damit verliert würde seinen Charakter als Konjunktiv von werden. Das Futur aus der Sicht der Vergangenheit verschwimmt mit dem Präsens aus der Sicht der Vergangenheit.)
Gleichzeitigkeit:
Anker Gegenwart: Er sagt, er mache es.
Anker Vergangenheit: Er sagte, er mache es.
Nachzeitigkeit
Anker Gegenwart: Er sagt, er würde es machen.
Anker Vergangenheit: Er sagte, er würde es machen.
Vorzeitigkeit
Anker Gegenwart: Er sagt, er habe es gemacht.
Anker Vergangenheit: Er sagte, er habe es gemacht.
Ob der Anker in der Gegenwart liegt oder in der Vergangenheit, ist völlig egal. Die Zeit und der Modus im Nebensatz ist in beiden Fällen derselbe.
Wir haben also bei der indirekten Rede eine ganz andere Logik, als bei der Zeitenfolge im Allgemeinen. Das Konjunktiv Präsens bzw. das Konjunktiv Imperfekt bzw. Konjunktiv Perfekt definieren sich relativ zum Anker, aber nicht mehr
absolut. Normalerweise rücken alle Zeiten eins nach hinten, wenn ein Satz in die Vergangenheit verschoben wird.
Perfekt zu Plusquamperfekt => Vorzeitigkeit
Präsens:
Er kann nicht Rad fahren, weil er sich ein Bein gebrochen hat.
Vergangenheit:
Er konnte nicht Rad fahren, weil er sich ein Bein gebrochen hatte.
Präsens zu Imperfekt => Gleichzeitigkeit
Präsens:
Ich kann mich nicht konzentrieren, solange er da ist.
Vergangenheit:
Ich konnte mich nicht konzentrieren, solange er da war.
Setzt man die Sätze in die indirekte Rede, haben wir eine ganz andere Logik. Die Zeiten rutschen nicht mehr eins nach hinten.
Er sagt, er könne sich nicht konzentrieren, solange er da sei.
Vergangenheit:
Er sagte, er könne sich nicht konzentrieren, solange er da sei.
Zusammenfassung: Es gibt im Deutschen Verben der mentalen Durchdringung, die in einer Vergangenheitszeit den Konjunktiv verlangen, im Präsens jedoch den Indikativ.
Im Indikativ kann Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit
ausgedrückt werden, im Konjunktiv nicht, bzw. nicht eindeutig.
Insbesondere kann im Konjunktiv im Deutschen zwischen Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit nicht klar unterschieden werden.
Im Portugiesischen verlangen bestimmte Verben
IMMER den Konjunktiv, egal ob der Moment der mentalen Durchdringung in der Gegenwart, der Vergangenheit oder in der Zukunnft liegt. Verlangt also ein Verb der mentalen Durchdringung den Konjunktiv, wenn der Moment der mentalen
Durchdringung in der Gegenwart liegt, dann verlangt es diesen auch wenn der Zeitpunkt der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit oder Zukunft liegt und die Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit wird im conjuntivo
ausgedrückt.
Verlangt das Verb der mentalen Durchdringung den Indikativ, dann steht der indikativo auch, wenn das Verb der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt und die Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und
Nachzeitigkeit wird im Indikativ ausgedrückt. Vereinfacht gesagt: Das Schema der romanischen Sprachen ist immer das gleiche und von daher einfach zu verstehen, wenn man das Prinzip verstanden hat.
Die romanischen Sprachen, also auch das Portugiesische, sehen den Moment der mentalen Durchdringung als ein Ereigniss auf einer Zeitschiene. Die Zeiten behalten also ihren ursprünglichen Wert immer. Das Präsens, egal ob indicativo
oder conjuntivo, drückt Gleichzeitigkeit aus. Das perfeito composto, egal ob im indicativo oder conjuntivo, drückt die Relevanz einer Handlung für die Gegenwart des Sprechers aus. Das mais-que-perfeito composto drückt die Relevanz
einer Handlung der Vergangenheit auf eine andere Handlung der Vergangenheit aus. Das imperfeito, egal ob im indicativo oder conjuntivo, drückt die Gleichzeitigkeit einer Handlung der Vergangenheit zu einer anderen Handlung der
Vergangenheit aus. Wir haben also in den romanischen Sprachen immer die Logik, die in Kapitel 11 und folgende beschrieben wurde.
Wundern kann man sich höchstens über das pretérito perfeito composto. Wie in Kapitel 11 und folgende ausführlich beschrieben, weicht seine Verwendung von den entsprechenden Zeiten in anderen Sprachen erheblich ab. Der pretérito
composto do conjuntivo allerdings, erfüllt im Portugiesischen die gleiche Funktion wie die entsprechenden Zeiten in anderen Sprachen.
Der deutsche Konjunktiv hat, im Gegensatz zu den romanischen Sprachen, überhaupt keinen Plusquamperfekt. Die Form "hätte" ergibt sich, weil in der 1. Person Plural, sowie in der 3. Person Plural der Konjunktiv indentisch ist mit dem
Indikativ. Es gilt dann die Generalregel, dass in diesem Fall der Imperfekt Konjunktiv verwendet wird, Formen wie "..., er hätte es getan" sind aber kein Plusquamperfekt Konjunktiv, denn sowas gibt es im Deutschen gar nicht.
Der Konjunktiv Perfekt kann zwar, unabhängig davon, ob der Moment der mentalen Durchdringung in der Gegenwart oder der Zukunf liegt, Vorzeitigkeit ausdrücken, aber nicht weil er, wie der Plusquamperfekt einen eigenen starken
semantischen Wert hat, sondern weil er immer relativ zum Zeitpunkt der mentalen Durchdringung definiert ist. "...hätten gelogen" ist die gleiche Zeit wie "...habe gelogen". Es ist ein Konjunktiv Perfekt.
Zeitpunkt der mentalen Durchdringung Gegenwart: Konjunktiv Perfekt drückt Vorzeitigkeit aus
Er sagt: "Wir haben gelogen".
=> haben hat keinen Konjunktiv Präsens . Folglich wird der Konjunktiv Imperfekt verwendet.
Er sagt, wir hätten gelogen.
Zeitpunkt der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit: Konjunktiv Perfekt drückt Vorzeitigkeit aus
Er sagte: "Wir hatten gelogen".
=> der Konjunktiv von hatten ist ebenfalls hätten.
Er sagte, wir hätten gelogen.
"Wir hätten gelogen" ist also nicht absolut bestimmt, sondern relativ zum Moment der mentalen Durchdringung. Absolut kann gar nichts bestimmt werden, denn es ist beides mal "wir hätten gelogen".
Einen Wechsel des Modus, Indikativ zu Konjunktiv, haben wir im Portugiesischen nie. Die indirekte Rede verlangt im Deutschen, zumindest theoretisch, den Konjunktiv. Im Portugiesischen und allen anderen romanischen Sprachen den
Indikativ. Die Zeitenfolge im Konjunktiv folgt im Deutschen beim Konjunktiv einer anderen Logik, als beim Indikativ. Im Portugiesischen ist die Logik immer diesselbe, egal ob indicativo oder conjuntivo.
Schematisch stellt sich das Portugiesische System also wie folgt dar. Im folgenden gehen wir detaillierter darauf ein.
indikativo
Moment der mentalen Durchdringung in der Gegenwart
Moment der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit
gleichzeitig
presente indicativo
gleichzeitig
imperfeito indicativo
vorzeitig
perfeito composto indicativo
vorzeitig
mais-que-perfeito-composto indicativo
nachzeitig
presente von ir + infinitivo
nachzeitig
imperfeito von ir + infinitivo
conjuntivo
Moment der mentalen Durchdringung in der Gegenwart
Moment der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit
gleichzeitig
presente conjuntivo
gleichzeitig
imperfeito conjuntivo
vorzeitig
perfeito composto conjuntivo
vorzeitig
mais-que-perfeito-composto conjuntivo
nachzeitig
presente de congiuntivo
nachzeitig
imperfeito de congiuntivo
Wir halten also fest. Auch im Deutschen spielt sowohl die subjektive Bewertung wie auch die Zeitenfolge eine Rolle. Ein klares System ist aber nicht erkennbar. Verlang ein Verb in den romanischen Sprachen, also auch im Portugiesischen, den conjuntivo, dann verlangt es diesen immer. Hinsichtlich der Zeitenfolge gibt es in beiden Fällen, egal ob indicativo oder conjuntivo, ein klares Schema, wie Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit auszudrücken ist. Es handelt sich also um ein stabiles System, das heißt alle Portugiesisch Muttersprachler kommen zum gleichen Ergebnis.